Wir stecken gerade mitten in der Heuernte. Das ist zugleich die Zeit, in der viele Einheimische und Gäste zu uns in den Biosphärenpark Großes Walsertal kommen, um ihre Freizeit oder ihren Urlaub bei uns zu verbringen.
Das kann ich gut verstehen. Obwohl wir mitten in diesem Naturjuwel wohnen und leben, sind wir nicht abgestumpft für die Schönheit unseres Tales. Die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt, die Reinheit des Wassers und der Luft, die Unberührtheit und Ruhe in den Kernzonen und nicht zu vergessen die vielen Quadratkilometer an Alpflächen, die bei uns bewirtschaftet werden und zum Herunterfahren und Abschalten, zum Wandern und Bergsteigen ideal sind.
Dass es bei uns so schön und gepflegt ist, dass ist allerdings harte Arbeit. Arbeit, die im Moment zum größten Teil wir Bäuerinnen und Bauern, unsere Kinder und Enkelkinder sowie Verwandte und manchmal auch gute Bekannte und Nachbarn stemmen. Jeder, der schon einmal bei 30 Grad bei der Heuernte in einem steilen Hang dabei war, auf dem, wenn überhaupt nur unsere Spezialfahrzeuge fahren können, weiß wovon ich spreche.
Aktuell werden bei uns noch fast alle noch so steilen Hänge bewirtschaftet. Meistens durch die Beweidung im Frühjahr und Herbst mit unseren Kühen, Schafen, Ziegen, Pferden und Alpakas in Kombination mit der Heuernte im Sommer, wenn die Tiere auf der Alpe sind. Weil wir Bäuerinnen und Bauern das jedes Jahr machen, obwohl wir dafür nicht annähernd angemessen bezahlt werden, kann man sich gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn wir das nicht machen würden.
Einen Hang allerdings beobachte ich schon etwas länger. Dieser wird nicht mehr jährlich von uns Bäuerinnen und Bauern gepflegt und das sieht man. Bereits nach wenigen Jahren wachsen dort statt Gräsern, Kräutern und Blumen – Büsche und Bäume. Bereits jetzt wäre dieser Hang mit unserer Mähmaschine nicht mehr zu mähen. Wenn wir das bei allen Hängen machen würden, die nicht mit unseren Maschinen zu befahren sind, würden ganz viele Flächen einfach zuwachsen. Es würde gerade zu Beginn die Lawinengefahr steigen, da der Schnee auf langem Gras viel leichter abrutschen kann.
Das Ortsbild würde sich zumindest in unserem Tal komplett verändern. Manch einer wird sich darüber freuen. Unter dem Motto „die Natur erobert sich ihren Raum zurück“ oder „am besten alle Bewohner ziehen in die Städte, da die Erhaltung dieser kleinen Gemeinden mit ihrer Infrastruktur sowieso zu teuer ist“.
Ich denke dabei an unsere Walser-Vorfahren, die unser Tal besiedelt und mit viel Mühe und körperlicher Arbeit bewohnbar gemacht haben. Sie haben eine langen Fußweg vom Wallis bis hierher auf sich genommen und haben sich hier in den Wäldern und Hängen des Großen Walsertales, wo niemand anderer wohnen wollte, eine neue Heimat – ein Zuhause – erschaffen. Unsere Aufgabe ist es, diese Heimat weiterhin zu pflegen, damit sie auch für unsere Ur-Ur-Enkel erhalten bleibt und ein „Zuhause“ sein kann.
Der Präsident der österreichischen Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, der sich für einen „Übernachtungseuro für Bergbauern“ stark macht, denkt in diesem Falle auch in diese Richtung. Ob es genau dieser Übernachtungseuro ist oder ob der Tourismus sich hinter uns Bäuerinnen und Bauern stellt und unsere Produkte auf den Speisekarten und auf den Buffets zu finden sind, oder ob die Gästetaxe angehoben wird und das Geld als Entlohnung für die Landschaftspflege an die Bäuerinnen und Bauern ausbezahlt wird, sei dahingestellt. Eines ist für mich jedoch ganz klar. Die nächste Generation wird sich nicht mehr für die Allgemeinheit kaputt arbeiten – und das ist gut so.
Die nächste Generation kann es sich aussuchen, was sie arbeiten möchte und wo sie leben möchte, da sie gut ausgebildet ist und einen Beruf erlernt, von dem sie leben und eine Familie ernähren kann.
Die Grundlage für den Fortbestand unserer Familienbetriebe und AUCH die Grundlage für die Tourismusregion Biosphärenpark Großes Walsertal ist ein landwirtschaftliches Einkommen, von dem eine Familie leben kann.
Ich wünsche mir für uns Bäuerinnen und Bauern, dass wir es schaffen, die Freude an unserem Beruf an die nächsten Generationen weiterzugeben und dass wir gemeinsam mit der Unterstützung durch den Tourismus, die öffentliche Hand und der Bevölkerung die Grundlagen schaffen, damit unsere Ur-Ur-Enkel sich für ein Leben als Bäuerinnen und Bauern entscheiden können.
PS Wenn du bis hierher gelesen hast, möchte ich mich herzlich bei dir bedanken. Falls du diesen Beitrag liken und teilen möchtest, erfüllst du mir wieder einen Wunsch zu meinem Geburtstag. 😊
Petra – stellvertretend für viele Bäuerinnen und Bauern